Da der jüngste Spross der Familie und meine Wenigkeit glühende Anhänger von Werder Bremen sind, machen wir uns mehrmals im Jahr auf den Weg in die Hansestadt, um unseren Lieblingsverein zu unterstützen. Im Normalfall ist das kein Problem, denn die knapp 500 Kilometer in Richtung Norden sind eigentlich bequem mit IC und ICE zu bewältigen. Um das Männerwochende in Bremen perfekt zu machen, gönnen wir uns meist ein Hotel für zwei Nächte und bleiben so von Freitag bis Sonntag in der Stadt. Grundsätzlich eine total entspannte Angelegenheit, wenn uns nicht Herr Weselsky mit seiner Ankündigung eines 6-tägigen Warnstreiks den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hätte und meine Gedanken um eine Zugfahrt im Bahnstreik kreisten.
Was also jetzt tun? Das Hotel war längst gebucht und auch die Tickets für das anstehende Heimspiel gegen den SC Freiburg hatten wir bereits in der Tasche. Das Wochenende abzusagen war also keine wirkliche Option, zumal sich nicht nur der Junior schon lange darauf freute. Unsere eigentliche Verbindung fiel natürlich dem Streik zum Opfer, allerdings schwirrte mir noch das kleine Wörtchen „Notfahrplan“ im Kopf herum. Nachdem der Siebenjährige mir sein „Go!“ für eine unter Umständen abenteuerliche Reise gab, bastelte ich uns mit Hilfe des DB Navigators eine Verbindung zusammen. Begleitet uns also auf eine Zugfahrt im Bahnstreik, die uns trotz aller Widrigkeiten sogar zum Ziel führte.
Inhaltsverzeichnis
Wir schummeln: Mit dem Auto zum Dresdner Hauptbahnhof
Ich gebe es zu: Der erste Teil unserer Reise fand gar nicht mit der Bahn statt. Dies lag zum einen aber an Zeitgründen (schließlich musste mein Sohn noch in die Schule), zum anderen aber auch an der Tatsache, dass man sich auch in normalen Zeiten nicht unbedingt auf die Dresdner S-Bahn verlassen kann. Daher war meine Frau so nett und fuhr uns die 20 Kilometer von Pirna nach Dresden mit dem Auto.
Zugfahrt im Bahnstreik: Mit dem Regionalzug von Dresden nach Leipzig
Was den Fernverkehr betrifft, ist Dresden für eine Landeshauptstadt eher mäßig aufgestellt. Direktverbindungen in andere deutsche Großstädte sind eher die Ausnahme als die Regel und zumeist wird daher irgendwo ein Umstieg fällig. Nicht so nach Leipzig, welches mit dem IC oder ICE in einer recht gut Taktung nach etwas über einer Stunde erreicht werden kann. In normalen Zeiten, versteht sich. Während des neuerlichen Streiks mit der GDL kam der Fernverkehr ab Dresden praktisch vollständig zum Erliegen, was dazu führte, dass wir die erste Etappe unserer Reise mit einem Regionalexpress (dem RE 50) zurücklegen mussten. Vor dem Einstieg gab es hier allerdings einen kleinen Schockmoment, denn obwohl der Zug bereits am Gleis stand, kamen die Menschentrauben vor den Waggons nicht hinein. Der Regionalzug machte einen menschenverlassenen Eindruck, das augeschaltete Licht im Innenraum kam meinem Puls auch nicht sonderlich zugute.
Sollte unsere Reise hier etwa schon ein jähes Ende finden? Nein, glücklicherweise nicht. Wenige Minuten vor Abfahrt des Zuges öffneten sich die Türen der Abteile und die erleichterten Fahrgäste strömten hinein. Mit einer Fahrtdauer von einer Stunde und 45 Minuten zog sich die Fahrt in die Messestadt zwar etwas, am Ende kamen wir aber pünktlich an unserem Ziel an. Das erste Teilstück war also schon einmal geschafft.
Mittagspause am Leipziger Hauptbahnhof
Wo sonst lässt sich eine Umstiegszeit von 90 Minuten besser verbringen als im schönsten Bahnhof Europas? Jedenfalls hat sich der Leipziger Hauptbahnhof diesen Titel im Jahr 2021 gesichert, meiner Ansicht nach auch mehr als verdient. Beim Anblick der zahlreichen Geschäfte und gastronomischen Einrichtungen kann der geneigte Fahrgast schnell vergessen, dass er sich an einem Verkehrsknotenpunkt und nicht in einem Shoppingtempel befindet. Nach einem Besuch bei der goldenen Möwe (natürlich gaaaanz ausnahmsweise!), eines Spielzeugeschäfts und einer Zoohandlung (ja, auch die gibt es im Bahnhofsgebäude) waren die eineinhalb Stunden in Leipzig schneller vorbei, als wir gucken konnten.
Von Leipzig nach Hamburg im ICE
Nach unserem kleinen Bummel über den Leipziger Hauptbahnhof ging es für uns mit dem ICE weiter in Richtung Hamburg. Zu unserer großen Freude stand der Zug auch schon überpünktlich am Bahnsteig und wir konnten planmäßig starten. Da ich im Vorfeld noch relativ kurzfristig Sitzplätze reserviert hatte, konnten wir die dreistündige Fahrt also ganz entspannt angehen. Der ICE war aber ohnehin deutlich leerer als gedacht und so musste eigentlich keiner der Fahrgäste im Stehen verharren. Das hätte ich im Vorfeld so nicht erwartet und mit deutlich volleren Abteilen gerechnet. Nach vielen Kartenspielen (aktueller Tipp: Biberbande*) und ein paar Serien auf dem Tablet* (das WLAN hat zum Glück auch nicht gestreikt) erreichten wir auch die größte deutsche Hansestadt pünktlich.
Die letzte Etappe von Hamburg nach Bremen
Der kritischste Streckenabschnitt war also geschafft, für das letzte Stück von Hamburg nach Bremen konnte eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Selbst wenn unser ICE ausgefallen wäre, hätten alternativ noch mehrere Regionalzüge zur Verfügung gestanden. Da diese durch die metronom Eisenbahngesellschaft betrieben werden, hat der Streik der GDL hier nämlich keine Auswirkungen gezeigt. Die langsamere Fahrt mit dem Bummelzug war aber gar nicht nötig, denn auch der letzte ICE auf der Reise war pünktlich und so erreichten wir schließlich auch Bremen zu der Zeit, die uns der Ersatzfahrplan bereits am Morgen angezeigt hatte. Wer hätte das im Vorfeld für möglich gehalten? 🙂
Fazit: Ist eine Zugfahrt im Bahnstreik möglich?
Ganz ehrlich? Noch am Abend vor unserer Fahrt war mir nicht richtig wohl bei dem Gedanken, die 500 Kilometer lange Fahrt nach Bremen mit dem Junior anzutreten. Was, wenn es irgendwo auf der Strecke zu einem Zugausfall kommt und wir am Ende mitten im Nirgendwo stranden? Vielleicht fällt ja auch gleich der erste Zug in Dresden aus und wir können überhaupt nicht starten? Gedanken wie diese führten also zu einer unruhigen Nacht, am Ende waren sie allerdings völlig unbegründet. Der Notfahrplan funktionierte besser als so manch reguläre Verbindung und am Ende kamen wir ganz entspannt an unserem Ziel in Bremen an. Solltet ihr bei der nächsten Machtdemonstration von Herrn Weselsky also überlegen, ob eine Zugfahrt im Bahnstreik möglich ist, dann traut euch einfach. Ausfälle bei der Deutschen Bahn habt ihr schließlich auch in normalen Zeiten zu befürchten. 😉
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